Im Film „Out of Paradise“, den Bayasgalant am 5. Oktober 2019 in Bischofszell zeigt, erzählt der mongolisch-schweizerische Regisseur Batbayar Chogsom (45) die Geschichte von Suren und ihrem Mann Dorj. Nach zwei Fehlgeburten erwartet Suren wieder ein Kind. Das Ehepaar schaut dem Ereignis freudig und ängstlich zugleich entgegen. Eine alltägliche Erzählung aus dem Leben in der Mongolei. Was die beiden jedoch auf dem Weg von der ländlichen Jurte bis ins Spital in der Stadt erleben, macht aus der Geschichte ein existenzielles Road Movie. Im Hintergrund erfahren die Zuschauer zudem vieles über die Sitten und Bräuche, sowie auch das Denken, Fühlen und Handeln in der Mongolei
Im Interview mit Batbaybar Chogsom erfahren wir mehr über seinen ersten Film und dessen Entstehung.
Batbayar Chogsom, warum erzählen sie gerade diese Geschichte?
Vor 10 Jahren wurde ich zum ersten Mal Vater, dies war, wie jede Geburt, ein sehr emotionales und einschneidendes Ereignis. Als ein Monat vor der Geburt unseres Kindes mein Schwiegervater starb, wurde mir bewusst, wie sehr das Leben ein Kreislauf ist. Leben und Tod gehören zusammen. Diese persönliche Erfahrung inspirierte mich dazu, diese Geschichte zu erzählen. Zudem wollte ich eine zweite universelle Geschichte erzählen, nämlich die vom Kontrast zwischen Stadt und Land.
Dieser Kontrast ist in der Mongolei besonders stark. Wie haben Sie diese Unterschiede erlebt, als sie nach sieben Jahren Abwesenheit zum ersten Mal wieder in die Mongolei zurückkehrten?
Es ist einfach enorm, anders kann ich es nicht ausdrücken. Die Hälfte der Mongolinnen und Mongolen lebt in der Stadt. Die andere Hälfte ist im gesamten Land, welches fast 40x grösser ist als die Schweiz, verstreut. Während Ulaanbaatar eine Metropole mit über einer Million Einwohner geworden ist, ist die Mongolei immer noch das am dünnsten besiedelte Land der Welt. Der Kontrast zwischen Stadt und Land ist wohl nirgends so krass, wie in meiner Heimat. Und natürlich unterscheidet sich zwischen Stadt und Land auch die Mentalität der Menschen. Die Leute kommunizieren ganz anders. In der Stadt herrscht eine Anonymität, die es vor 30, 40 Jahren noch nicht gab und die es auf dem Land immer noch nicht gibt. Das Leben ist an beiden Orten ein Kampf ums Überleben, aber in der Stadt erlebte ich es als ein weitaus härterer Kampf.
Sie leben seit Sie 26 Jahren alt sind in der Schweiz. Wie schwierig war es, aus dieser distanzierten Perspektive eine Geschichte zu schreiben, die in der aktuellen Realität der heutigen Mongolei spielt?
Es benötigte eine neue Auseinandersetzung mit der Kultur vor Ort und ich lernte mein Land, während dem Schreiben des Drehbuches, neu kennen. Ich war zuvor sieben Jahren nie heimgekehrt. In dieser Zeit hat sich die Mongolei enorm entwickelt. Ich war davon beeindruckt und schockiert zugleich. Und dann, während den Dreharbeiten in der Mongolei, war es für mich spannend zu sehen, wie viel gelassener die Menschen dort sind und am Ende doch alles klappt. Ich habe dabei auch realisiert, dass ich in den letzten 20 Jahren die Mentalität der Schweiz angenommen habe und ich nicht mehr so ganz Mongole bin.
Der Film heisst „Out of Paradise“. Ist die ländliche Mongolei für Sie ein Stück Paradies?
Je nachdem, wie man die Situation betrachtet. Wenn man sieht wie die Nomaden mit der Natur leben, dann hat es tatsächlich etwas Paradiesisches. Aber natürlich haben auch sie Probleme. Der Filmtitel ist allerdings als Metapher für den starken Kontrast zu verstehen.
Viele Filme über die Mongolei haben etwas Melancholisches, so auch „Out of Paradise“. Woran liegt das?
Ich weisse es nicht genau (lacht). Jemand hat zu mir gesagt: „Du hast deine Heimat sehr vermisst und daher hast du einen solch melancholischen Film gemacht.“ Aber ich glaube, so war es nicht. Über die Mongolei muss man vielleicht einfach so erzählen. Ich glaube, die weite der Steppe hat einfach etwas Melancholisches.
Der Film gewann am internationalen Filmfestival in Schanghai den "Grossen Preis" als bester Spielfilm. Die Jury begründete den Sieg mit: «Ein schlichter, aber keineswegs einfacher Film, sehr aufrichtig und gleichzeitig poetisch. In jeder Beziehung ein selten guter Film.» So was hört nicht jeder Filmemacher über sein Erstlingswerk.
Ja, es war ein sehr, sehr schönes Erlebnis diese Auszeichnung zu gewinnen. Es war tatsächlich mein Film, der aus mehr als 3600 Filmeinsendungen, aus über 100 Ländern, als der beste ausgewählt wurde! Ein Riesenerfolg und ein überwältigendes Erlebnis, den Preis persönlich entgegenzunehmen. Vor allem auch weil ich zuvor miterlebt habe, wie gross die Hürden sind, wenn man die Filmszene als Neuling, als Nobody betritt und in das Werk so viel Zeit und Kraft investiert hat.
Was können die Leute erwarten, die den Film in Bischofszell sehen werden?
„Out of Paradise“ ist ein berührender Film über das Leben in der heutigen Mongolei. Gleichzeitig ist es aber ein universeller Film, in welchem sich, so glaube ich, die meisten Menschen hineinversetzen können. Die Gegensätze Geburt/Tod, Stadt/Land sind überall ein Thema. Ich freue mich, wenn möglichst viele Menschen nach Bischofszell kommen und ich so mithelfen kann, die Projekte von Bayasgalant zu unterstützen.
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