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Die Uni am Bildschirm

Corona begleitet uns alle nun seit einem Jahr. Auch die Studenten in der Mongolei müssen somit seit geraumer Zeit von zu Hause aus studieren. Über ihre Erfahrungen und Herausforderungen im «Home Office» haben sie mit Martina Zürcher in einem Zoom Talk gesprochen. 

«Wir kommen nicht mehr zu spät!», sagt Nomin, die Fahrzeugtechnik studiert und alle fangen an zu lachen, pflichten ihr dann aber bei: «Ja, das ist wirklich ein Vorteil.» Battur, der übersetzt, präzisiert: «Wir kommen nicht zu spät zur Uni, weil wir zu spät aufstehen. Meistens steht der Bus bis ins Stadtzentrum einfach zu lange im Stau.» Im Gespräch kristallisieren sich dann bei den meisten die gleichen Vorteile der momentanen Zeit heraus: Das Studium wird als intensiver wahrgenommen, weil neu viel mehr selbst gelesen und recherchiert werden muss und die Studierenden so viel mehr auf sich selbst fokussiert und weniger durch ihre Studienfreunde abgelenkt sind. Aber die Freunde, die fehlen natürlich trotzdem allen. Ohne den direkten Kontakt zu diesen zu leben, ist für einige mitunter etwas vom Schwierigsten. 

 

Schlechtes Internet zu höheren Kosten 

Unsere Studierenden lernten aber noch ein paar Nachteile mehr kennen: «Mein Internet fiel schon mal während einer Prüfung raus und dann verlor ich Zeit, bis ich wieder eingeloggt war», erklärt Tsend-Ayush, der, wie noch ein paar andere, seit einem Jahr das Corona-Fernstudium mangels Laptop auf dem Smartphone absolviert. 

Byambaa, der im Abschlussjahr zum Softwareingenieur ist, verbringt derzeit bis zu 10 Stunden täglich vor dem Laptop. Nebst dem Online-Unterricht muss er auch noch seine Masterarbeit schreiben. «Ich gebe täglich bis zu 3’000 Tugrik (1CHF) alleine fürs Internet aus. Früher waren es höchstens 10'000 Tugrik pro Monat. Wir konnten an der Uni das Wifi nutzen. Und die Bibliothek. Weil die ebenfalls zu ist, muss ich alle Bücher, die ich benötige, kaufen.» Er bezahlt, wie alle anderen, die Zusatzkosten von den Ersparnissen seiner Familie, deren Einkommen seit Corona deutlich geschrumpft ist. Die Mutter hat wegen der ständigen Lockdowns keine Arbeit mehr. Der Vater arbeitet in einem Spital und hat somit noch einen Job. «Zum Glück geht es uns heute finanziell besser, als damals, als ich noch als Kind bei Bayasgalant war. Trotzdem ist es eine Belastung.»

Die Frage nach dem Studentenjob wird von allen mit Kopfschütteln beantwortet. «Wenn schon unsere Eltern keine Arbeit finden, haben wir keine Chance», sagt Enkhmed, der lieber wieder zurück zum normalen Unterricht möchte, da er es schrecklich findet, Videos von sich selbst aufnehmen zu müssen. 

 

Ein Zimmer für die ganze Familie 

Bei vielen der Jugendlichen sind seit fast einem Jahr beide Elternteile ohne Arbeit zu Hause. Geht es um Lebensmittel, können die Hilfspakete von Bayasgalant die Situation abfedern. Zudem helfen die staatlichen Hilfsgelder derzeit noch, die Familien über Wasser zu halten. Schwieriger ist die Alltagssituation zu Hause: Alle hocken ständig aufeinander. Das führt unweigerlich zu Stress. 

Bei einigen sieht man während des Zoom-Gesprächs im Hintergrund immer wieder Familienmitglieder herumgehen. Ariunjin, die Choreographie studiert, bringt es dann auf den Punkt: «Zu Hause studieren ist schwierig, weil wir nicht genügend Ruhe haben. Die ganze Familie lebt in einem Raum. Es ist laut.» Sie sollte zudem trainieren und Videos von ihren einstudierten Choreographien machen. «Ich habe nicht genügend Platz und schlechtes Licht für ein Video.» Wann immer möglich, meldet sie sich daher bei den Bayasgalant-Hauswarten, um in einem leeren Schulzimmer zu tanzen.

 

Online-Unterricht ist nicht immer besser 

Indra und Gerelee studieren beide Modedesign. Sie müssen ihre Zeichnungen abfotografieren und per Handy an die Lehrer schicken. Würden sie eine Frage stellen, dann dauert es wahnsinnig lange, bis die Lehrer antworten. «Die jüngeren Lehrer reagieren schneller. Die älteren haben es überhaupt nicht im Griff», pflichten andere der Jugendlichen bei und Otgoo, der seine Studienrichtung während der Pandemie von Tourismus zu Archäologie gewechselt hat, sagt: «Manchmal müssen wir 20, 30 Minuten warten, bis sich alle Studierenden und Professoren eingeloggt haben, bevor wir loslegen können. Das ist mühsam.»

 

Mehr Zeit für sich 

Khongorzul ist seit gut zwei Jahren in Japan, wo sie mit einem «Work & Study» Stipendium arbeitet und gleichzeitig Japanisch studiert. Sie hätte mehr Zeit gehabt, um Dinge für sich zu machen, weil der Weg zur Uni wegfiel. Zum Kochen oder Podcast hören, erzählt sie. Aber mittlerweile sei in Japan soweit alles wieder normal. 

Allgemein machen «unsere» Jugendlichen den Anschein, dass sie während Corona gelernt haben, besser auf sich selbst zu hören und an sich zu arbeiten. «Ich höre jetzt Podcasts über Psychologie, weil ich gemerkt habe, dass die Mitglieder meiner Tanzkompanie unter dem Alleinsein leiden. Und ich poste auf Social Media hilfreiche Dinge und positive Sachen für sie!» Battur, der selbst Psychologie studiert, spitzt die Ohren und fragt nach, was sie denn hört und fügt dann an: «Ich lese mehr Bücher und gehe immer mal wieder wandern. Ich gehe raus und steige auf einen Hügel. Das habe ich vorher nicht gemacht.» Nomin macht regelmäßig Fitness und Indra führt ein Bullet Journal. Sie holt es vor die Kamera und erklärt, wie es ihr hilft, auf ihrem persönlichen Weg weiterzukommen. «Du schreibst jeden Monat deine Ziele darin auf. Es motiviert dich, dass zu erreichen, was du willst.» Sie, die Kreative, hat sich im Journal voll ausgelebt. Als sie vor der Kamera durchs Heft geblättert hat, zeigt auch Tsend-Ayush sein Motivations-Büchlein. Es ist zwar klein und bei Weitem nicht so bunt wie dasjenige von Indra, aber egal: Hauptsache, es hilft ihm, sich anzuspornen.

 Nach einer Stunde im Gespräch mit den Studierenden, bin ich mächtig stolz auf diese Truppe motivierter junger Menschen, die bei Bayasgalant vor mehr als 10 Jahren ein zweites Zuhause gefunden haben. Die sich vom Virus nicht unterkriegen lassen, sich gegenseitig unterstützen und Wege finden, diese aussergewöhnliche Zeit irgendwie für sich zu nutzen. Auch wenn der Familienhintergrund bei vielen schwierig ist. 

 

Bayasgalant finanziert seit 2016 Studiengebühren für die jungen Erwachsenen und ermöglich so jedem der Bayasgalant-Kinder eine Ausbildung. Je nach aktueller Familiensituation wird der gesamte Betrag übernommen oder nur ein Teil der Kosten. Als Gegenleistung sind die Studierenden verpflichtet, als Aushilfskräfte auf der Tagesstätte einzuspringen und da zu helfen, wo es gerade brennt. 

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