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Korruption in der Mongolei – ein Alltagsbegleiter für unser Team

UNSICHTBARER, ABER ALLGEGENWÄRTIGER GEGNER - DIE KORRUPTION

Die Mongolei ist ein Land voller Potenzial: reich an Rohstoffen, kulturell vielfältig, mit wunderschöner Natur und vielen Menschen, die ihr Land lieben und ihr Erbe Dhingish Kahns stolz im Herzen tragen Doch wer hier lebt und arbeitet, so wie wir als NGO, begegnet immer wieder demselben unsichtbaren Gegner: Korruption.

 

Laut Transparency International Mongolia sind genau die beiden öffentlichen Dienste, mit denen Bayasgalant am meisten zu tun hat, am stärksten von der Korruption betroffen: Das Bildungs- und das Gesundheitssystem.

 

So erlebten wir über die Jahre immer wieder Schulen und andere Stellen, die nach einem Drucker oder anderen «Geschenken» fragten. Aber wir lernten bereits vor 20 Jahren vom damaligen Schweizer Konsul Markus Dubach die wichtigste Lektion: «Geht nie auf Angebote von Korruption ein. Denn wer es einmal macht, kommt aus dem Ding nicht mehr raus.» Diese Worte sind bei uns Gründerinnen noch sehr gut in Erinnerung und daran haben wir und vor allem auch unser Team uns seither gehalten. Der Satz kam mir vor zwei Jahren bei einem Gespräch am Rande eines Kinderfestes auf der Tagesstätte wieder in den Sinn: Eine Beamte fragte mich höflich aber nachdrücklich nach einer Investition für ihr Büro. Ich hörte zu und sagte ich müsse dies mit dem Vorstand in der Schweiz besprechen, da ich solche Ausgaben nicht alleine entscheiden kann. Gleichzeitig bat ich Projektleitern Zaya, meine Aussage der Kultur entsprechend zu übersetzen. Der Vorstand hat seither natürlich nie über diese Ausgaben gesprochen. Aber somit haben wir die Frau nicht mit einer direkten Antwort brüskiert, was unser Team später spüren würde, aber sind auch nicht auf ihre Forderungen eingegangen. Eine Gratwanderung, die unser Team immer wieder erlebt.

 

EIN LAND IM MITTELFELD - ABER MIT STRUKTURELLEN PROBLEMEN

Seit der Gründung von Bayasgalant im Jahr 2003 hat sich die Situation rund um die Korruption verbessert. Aber es gibt noch vieles zu tun. Laut dem Corruption Perceptions Index 2024 (Index der Wahrnehmung von Korruption) von Transparency International, liegt die Mongolei derzeit auf Rang 114 von 180 Ländern. Umso höher das Ranking, umso höher die wahrgenommene Korruption.

Dänemark liegt auf Platz 1, die Schweiz auf Platz 5 des Rankings mit sehr wenig wahrgenommener Korruption. Süd Sudan und Somalia sind ganz am Schluss zu finden. Länder wie Laos, Panama, Sierra Leona oder die Philippinen liegen auf dem gleichen Korruptionsrang wie die Mongolei mit einem Score von 33 von 100 Punkten – ein Wert, der auf eine weit verbreitete Wahrnehmung von Korruption im öffentlichen Sektor hinweist.

 

Da es sich um die wahrgenommene Korruption und nicht um tatsächlich nachweisbare Korruptionsvorfälle handelt, ist der ausgewertete Score also ein Indikator für Vertrauen in staatliche Institutionen und ihre Integrität. Ein niedriger Score heißt: Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Fachleute trauen dem System weniger. Ein Score von 33/100 bedeutet zum Beispiel, dass: Korruption in Regierung, Verwaltung und öffentlichen Institutionen weit verbreitet wahrgenommen wird, Transparenz, Kontrolle und Rechenschaftspflicht oft fehlen, politische Einflussnahme, Vetternwirtschaft und Intransparenz bei öffentlichen Aufträgen oder Genehmigungen als häufig gelten, Alltagskorruption – also kleine „Gefälligkeiten“ oder Bestechungen – von vielen als normal angesehen wird.

 

Dass die Korruption auch in der Regierung präsent ist, zeigt der diesjährige Rücktritt des ehemaligen Premierministers Luvsannamsrain Oyun-Erdene der nach öffentlichen Protesten gegen wahrgenommene Korruption und dem luxuriösen Lebensstil seiner Familie sowie einem Misstrauensvotum im Parlament zurückgetreten ist.

 

ERLEBTE KORRUPTION IM GESUNDHEITSSEKTOR

Wir selbst erleben immer wieder, dass Korruptionsversuche unsere Arbeit erschwert oder wie zuletzt bei der Nierentransplantation von Lkhagva ein sehr ungutes Gefühl auslöst. Denn wenn der führende Arzt, welcher die Transplantation durchführt, unsere Sozialarbeiterin unter zwei Augen nach einem «Geschenk» fragt und wir dies direkt ablehnen, haben wir dann die Sicherheit, dass er seinen Job auch wirklich ethisch korrekt ausführt oder schlampt, weil er nicht erhalten hat, was er sich gewünscht hat? Ein schreckliches Gefühl!

 

Ein anderes Mal wurde eine kranke Grossmutter trotz medizinischem Notfall von der Ambulanz nicht mitgenommen, weil sie die Ambulanz vor Ort nicht extra bezahlen konnten. Am Ende musste sie mit einem Taxi ins Spital transportiert werden. Dies alles in einer äusserst kritischen medizinischen Notlage. Eine Situation die unser Team einfach nur wütend, traurig und machtlos machte.

Mit diesen Erfahrungen sind wir nicht alleine. Laut einer Umfrage von Transparency International Mongolia haben 17 Prozent der Mongolen angegeben, in den letzten 12 Monaten extra Geld bezahlt zu haben, um eine medizinische Behandlung zu erhalten, die eigentlich vom staatlichen Gesundheitssystem bezahlt sein sollte.

 

Diese Strukturen treffen vor allem jene, die ohnehin am wenigsten Spielraum haben: Familien am Existenzminimum, wie diejenigen, welche durch Bayasgalant betreut werden.

 

EIN ZUSAMMENSPIEL AUS MACHT, ABHÄNGIGKEIT UND GEWOHNHEIT 

Korruption in der Mongolei ist kein einfaches Schwarz-Weiß-Thema. Sie speist sich aus einem Geflecht aus wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Rohstoffsektor, politischer Einflussnahme, unzureichender Kontrolle und einem über Jahre gewachsenen Stillhalten gegenüber „kleinen Gefälligkeiten“ im Alltag.

 

In einer Umfrage gaben über 65 Prozent der Befragten an, dass Korruption „Teil des Alltags“ sei. Diese Normalisierung macht sie besonders schwer zu bekämpfen.

 

Dennoch bewegt sich etwas. Junge Menschen fordern zunehmend Transparenz und Rechenschaftspflicht. Medien und NGOs decken Fälle auf, dokumentieren Missstände und bringen Reformvorschläge ein. Digitale Verwaltungsprozesse, Whistleblower-Schutz und offene Datenbanken für öffentliche Aufträge sind initiiert und könnten langfristig einen Kulturwandel ermöglichen. Auch wir bei Bayasgalant setzen uns dafür ein, dass Integrität zum Standard wird – nicht zur Ausnahme. Nicht nur bei uns im Team ist es ein Thema, sondern mehr und mehr bei den Kindern. Denn wer von Klein auf weiss, was für Probleme und Ungerechtigkeiten Korruption schafft, der wird sich hoffentlich später eher dagegen aussprechen und als Erwachsener anders handeln.

 

 Text: Martina Zürcher

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